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Pekingoper zu Abend!

Eine andere Welt!

Aus dem Archiv – Reise nach Kythera 11 – Von Zeus und El Greco (16.10.2013)

Zeus

Zeus

Und weil ich grade dabei bin – hier noch eine Kleinigkeit aus meinem „Kythera-Blog“ von 2013. Es geht um Zeus, El Greco, schwefelgelben Himmel und einen Schatz…Wer mehr wissen will:

Reise nach Kythera 11 – Von Zeus und El Greco

 

Aus dem Archiv: Reise nach Kythera 8 – Von Eisvögeln und Erdbeben (12.10.2013)

Talassa

Weil ich gerade wieder sehr viel an Griechenland und die Griechen denke – hier ein kleiner Auszug aus meinem „Feldforschungs-Blog“ von 2013:

Die Eisvögel sind wieder da!“ So hat es mir gestern morgen stolz und mit freudvollem Grinsen ein kleiner Junge verkündet als ich auf der Suche nach meinem Kugelschreiber auf der kleinen Mole des Fischerhafens von Diakofi umherirrte. Da „Eisvogel“ nicht zu meinem gängigen Griechischen Wortschatz gehört (der ist eher für so lebensnotwendige Dinge wie tanken, essen, Rechnungen, Entschuldigungen und Waschmittel reserviert ;-)) hab ich zuerst nicht verstanden was der kleine Dreikäsehoch von mir wollte.

Doch ein rascher Blick in Richtung der aufgeregt hin und herwedelnden Ärmchen machte sofort klar, was der Kleine mir mit glänzenden Augen versuchte zu erklären: Gleich zwei der schillernden Juwelen der Lüfte hatten sich – einfach so, und ohne sich um die etwas triste Umgebung zu kümmern – auf den weiß-rot gestrichenen Reelings der kleinen hölzernen Fischerboote niedergelassen und versuchten nun indem sie laut pfeifend hin und herflogen einige kleine Fische aus dem türkisfarbenen Wasser zu fischen.

Es brauchte wohl diesen optischen Schlüsselreiz um dann doch noch den entscheidenden „Klick“ in meinem klassisch gebildeten Hirn auszulösen. Genauer: wie (fast) immer in Griechenland gibt es selbstverständlich auch für das winterliche Auftauchen von Eisvögeln eine passende antike Sage: Ceyx Gemahl von Halcyone, Tochter des Windgottes Äolus, fuhr eines Tages über das winterliche Meer, um bei einem Orakel Rat zu suchen. Sein Schiff geriet in einen Sturm und sank – Ceyx und mit ihm alle seine Mitreisenden ertranken. Daraufhin erhielt Halcyone im Traum eine von den Göttern gesendete Botschaft von dem Unglück. Verzweifelt ob des Verlusts ihres Gatten stürzte sie sich ebenfalls in die Fluten. Die Götter, von der Treue Halcyones beeindruckt, verwandelten sie und ihren toten Gatten in Eisvögel und gewährten der Schiffahrt alljährlich im Winter vierzehn ruhige, windstille Tage, die sog. Halcyon-Tage. Diese spielen auch eine ganz besondere Rolle in Henry Purcells „The Enchanted Island„, und welche andere Insel könnte mit diesem Titel gemeint sein als…richtig Kythera“

Der Grund für diese windstillen Tage ist allerdings etwas kurios und spricht nicht unbedingt für die genaue Beobachtungsgabe antiker Ornithologen. Nicht der Schutz der Seefahrer lag den Göttern am Herzen (wie häufig bei den launischen Olympiern handelt es sich hierbei eher um einen angenehmen Nebeneffekt), nein, die gnädige Zurückhaltung des Windgottes Äolus gilt seiner in einen Eisvogel verwandelten Halcyone, welche zu dieser Zeit angeblich brütend auf ihrem schwimmenden Nest auf dem glatten Spiegel des Meeres sitzt…

Und hier beginnt das Problem: Entweder antike Eisvögel verhielten sich komplett anders als ihre modernen Nachfahren – diese brüten in aller Regel in selbstgegrabenen Höhlen an sandigen Steilufern und Geländeabbrüchen und haben so recht wenig von einer ruhigen See, oder aber die antiken Urheber der Sage haben schlichtweg Seeschwalben (die brüten tatsächlich in ruhigen Meereslagunen auf schwimmenden Flößen aus Grünpflanzen) und Eisvögel miteinander verwechselt bzw. zu einer Art vermischt – Lebensraum und Umrisse beider Arten sind recht ähnlich und beide fangen bekanntlich Fisch…Sicher ist nur, dass ich das griechische Wort „(H)Alcyon“ für Eisvogel so schnell nicht mehr vergessen werde…

Nicht genug damit, gegen Mittag riss der stärker werdende Zephir etliche Blüten von den Bouganveliennüschen und Hibiskussträuchern (wir haben hier immer noch Sommer!) und verteilte sie im kristallklaren Wasser der Bucht. Das Ganze sah aus, als hätte man in einem vernöstlichen Spa für Riesen eine gewaltige Badewanne voller türkis-rosa-weiß-rot gesprenkelten Ajurvedabadewasser mit „Exotikblütenbeilage“ vorbereitet. Und ja, ich hab Bücher, Bücher sein lassen, mir nicht den Photo (der wär eh vom aufgewirbelten Sand kaputt gegangen) sondern die vorsorglich mitgebrachten Badesachen geschnappt und bin  mit Eisvögeln, Silberreihern, Bussarden und Falken als Zuschauern durch die ganze buntgetupfte Bucht geschwommen!

Mitten drinn im romantischen Herumgeplantsche begann es dann oben in den Bergen um Agia Moni zu rumoren. Erst ganz leise, dann lauter, als würde eine ganze Ziegenherde auf einmal über eine der Geröllhalden laufen. Aber da waren keine Ziegen, nur kleinere und größere Felsbrocken die von den Hängen hinunter ins Tal kullerten. Normalerweise ist das hier nicht weiter der Rede wert, kleinere Felsstürze passierten hier quasi im Minutentakt. Was mich dann aber doch etwas beunruhigte, waren die besorgten Gesichtern der Fischer, denen anzumerken war das es diesmal wohl etwas ernsteres war. Leicht besorgt und schweren Herzens verließ ich also meine Privatbadewanne (ich hatte wirklich die gesamte Bucht von Diakofti für mich allein!) und hab am Strand nachgefragt was denn los sei. „Seismos“ Erdbeben, nicht besonders schlimm, aber man sollte sich wohl sicherheitshalber doch ein paar Meter den Hügel hinaufbewegen…Tzunami und so…

Gesagt getan, ich in den Badeklamotten durch den Ort, ab ins Auto und den Berg hochgefahren. Ob das wirklich eine Gute Idee war weiß ich im Nachhinein nicht so unbedingt; Ein Nachbeben auf der durch Felswände verlaufenden Straße von Diakofti zum Flughafen ist sicherlich kein Vergnügen…aber immer noch sicherer als eine Flutwelle unten in der Bucht…

Oben angekommen kam mir schon ein Baggerfahrer mit der Entwarnung entgegen. Es sei wirklich nicht so schlimm. Das Erdbeben habe vor Chan(d)ia – einer Stadt auf Kreta – ca. 80 Kilometer südöstlich von hier stattgefunden, Stärke 6,7. Auf Kythera gäb’s nur kleinere Schäden, keine Tzunamigefahr…

Dumm war blos, dass ich bei der ganzen Aufregung vergessen hatte, Sonnencreme und mein Hemd anzulegen! Resultat: Ein erdbebenverursachter Sonnenbrand! Mein vergessenes Hemd hab ich dann übrigens in der Bucht wiedergefunden, der Wind hatte es zwischenzeitlich über den Strand ins Wasser geweht…noch mehr Wäsche!

Die Fischer hatten sich erst garnicht vom Fleck bewegt. Ein Tzunami, so die einhellige Meinung, sehe anders aus…wie haben sie mir nicht verraten und ich glaub, sie haben sich insgeheim auch ein ganz klein wenig darüber gefreut, dass sie dem bleichen Touristen ein wenig Angst eingejagt hatten…jedenfalls lachten sie alle und fragten, warum ich denn so rot sei…

Zurück im Appartment war ich dann um drei echt Kytheranische Weißheiten reicher:

1) Traue keinem Riesen der Bouganvelienblüten in eine Mittelmeerbucht streut, er will spielen und macht dabei kleine Erdbeben! 😉

2) Ein Erdbeben ist noch lange kein Grund auf den Sonnenschutz zu verzichten!

3) Tzunamis sehen anders aus…wie weiß niemand so genau, da’s bisher vermutlich niemand der’s je gesehen hat weitersagen konnte…

Ein Blick in die Abendnachrichten belehrte mich dann übrigens, dass die Warnung der Fischer vielleicht doch nicht nur scherzhaft gemeint war. Auf dem nur 80 Kilometer entfernten Kreta hat das Erdbeben doch erhebliche Schäden angerichtet und wenn ich’s richtig verstanden habe hat’s auch Schwerverletze und eine, wenn auch sehr kleine Flutwelle gegeben.

PS: Noch etwas ist mir heute aufgefallen. Augenscheinlich verursacht nur Nordsturm (Boreas) Stromausfall. Zephir (Westwind)-Stürme sind zwar stärker (und unangenehmer, da sie heiß und sehr feucht sind, haben hier gerade gefühlte 35°C im Schatten) verursachen aber aus unerfindlichen Gründen keine blackouts. (jedenfalls noch nicht…).

Giassas!

Adventskalender 2014 – 5. Türchen – Warum in meiner Krippe Affen, Schildkröten und ein wilder Eber hausen…

Peruanische Weihnachtskrippe

Peruanische Weihnachtskrippe

Wisst ihr noch, wie es damals am heiligen Abend war, als man mit vier oder fünf Jahren noch an das Christkind und/oder den Weihnachtsmann glaubte und es garnicht erwarten konnte bis endlich ein kleines Glöcklein erklang und man in das Zimmer mit dem Chrisbaum und der Krippe durfte?
Eigendlich hatten sich meine Eltern ausgedacht, dass wir Kinder in der Woche vor Weihnachten überhaupt nicht ins Wohnzimmer sollten, weil dort angeblich das Christkind dabei war den Weihnachtsbaum zu schmücken und – viel wichtiger – unsere Geschenke einzupacken, und wenn wir es dabei stören würden, würde es nichts geben…well so ganz geglaubt haben ich und mein Bruder das glaube ich damals schon nicht, schließlich waren wir nicht auf den Kopf gefallen (na ja, mein Bruder manchmal schon, aber das ist eine andere Geschichte und hat viel mit Obstbäumen und Skifahren ohne wirklich Bremsen zu können zu tun) und konnten uns halbwegs ausrechnen, dass der Christbaum vom Chrisbaumverkauf und die vielen Bunden Geschenke vom Weihnachtsmarkt nicht von irgendwelchen Engeln auf die Autodächer geschnallt und in den Kofferaum gelegt wurden und nach Hause gefahren wurden…

Trotzdem trotteten wir bis weit in die Grundschulzeit hinein jedes Jahr brav hinter meinen Großeltern in den damals noch tief verschneiten Wald und positionierten unsere Wunschzettel ans Christkind in einem Vogelhäuschen, dass rein zufällig nur wenige dutzend Meter vom Waldrand entfernt über der Lieblingsbank meines Großvaters hing.

Nebenbei gesagt war mein Großvater – wie übrigens auch unsere Kindergartentanten und Grundschullehrerinnen – nicht ganz unschuldig, dass wir schon ziemlich früh nicht mehr so ganz an die Geschichte mit dem Christkind und dem Weihnachtsmann glaubten*.

Grund dafür war, dass alle eine ausgeprägte Vorliebe dafür teilten, irgendwelche kleineren oder größeren Krippen zu basteln. Erst aus Papier und mit Fingerfarben, dann durften wir unsere ersten Tonkrippenfiguren kneten (das meine ich jetzt ganz wortwörtlich) und als diese dann fertig gebrannt und bemalt waren brauchten die natürlich auch eine echt schwäbische Krippe mit Stall und allem sonstigen Bremborium (das ist vermutlich der Grund, weshalb zwar Maria und Josef mitsamt dem Jesuskindlein und einem Schaf heute hart gebrannt sind, Ochs und Esel, der Hirte, die restlichen Schafe, ein Hund und vor allem die heiligen Drei Könige aber nicht – was heißt, dass diese im Laufe der Jahre x-mal geklebt werden mussten).

Wirklich ins Grübeln gebracht hat uns aber die Mammutaufgabe des Krippenbaus, derer sich selbstverständlich mein Großvater mitsamt seiner ziemlich Umfangreichen Werkstatt im Ölkeller annahm. Eigentlich durften wir da ja nicht rein…wegen der Explosionsgefahr…und wer uns zwei Racker kannte, der weiß dass wir durchaus auch auf die Idee hätten kommen können versuchsweise auszuprobieren ob man den Öltank nicht mit der Bohrmaschine, der Flex, oder dem Stemmeisen aufbekommt…Well, ich und mein Bruder leben noch, ich nehme also an, dass wir das nicht wirklich ernsthaft ausprobiert haben…

Kurz, es wurde geschnitzt, genagelt, geschraubt, kleine Schuppen von Fichtenzapfen als Dachziegel aufgeklebt und gemalt…Und tatsächlich wurde das Meisterwerk, wenn auch erst zwei Jahre später,  tatsächlich vollendet – Inklusive Riesenbatterie und winziger Laterne mit noch winzigeren Birnchen. Dass das Ganze ein wenig zu klein für die Tonfiguren ausgefallen ist, liegt ganz bestimmt nicht drann, dass sich mein Großvater eventuell vermessen hat…das war eindeutig das Christkind, das, weil mein Bruder und ich immer ins Weihnachtszimmer geschlichen sind und die dort aufbewahrten Weihnachtsbrötchen gegessen haben, zur Strafe unsere Krippe geschrumpft hat!.

Ja, und da steht sie nun, neben unseren 5 anderen Krippen (inzwischen haben wir glaub noch mehr, wenn man die in divesen  Streichholzschachteln, Kürbissen, Glaskugeln etc. mitzählt…)…Ich werd sie auch dieses Jahr wieder bei meinen Eltern aufbauen, vorrausgesetzt es findet sich noch ein Plätzchen…

Jahre später – ich hatte gerade zu studieren begonnen – habe ich dann zufälligerweise ein Gespräch zweier Verkäuferinnen im Dritte Welt Laden (der hieß damals wirklich noch so) angehört. Sie hatten ein garnicht so kleines Problem: Irgendeine ihrer gutmeinenden Kolleginnen hatte nämlich eine das gesamte linke Schaufenster ausfüllende Peruanische Krippenszene aus ca. 30 cm hohen Tonfiguren zum weiterverkauf erstanden…und die blockierte jetzt schon seit über 4 Jahren zu jedem Weihnachtsfest das Schaufenster, weil sie niemand kaufen wollte. Die Krippe hatte nämlich zwei Probleme: a) war sie fürchterlich teuer und b) sah sie einfach überhaupt nicht so aus, wie ein normaler oberfränkischer Käufer sich eine Krippe vorstellt. Es gab zwar einen Engel, aber der fasste sich an die Brüste, Maria und Josef und ein Esel waren mit Müh und Not auch noch irgendwie am Hirtenstab den Zöpfen und den Langen Ohren zu erkennen, aber der Rest? Irgendwie waren die Heiligen Drei Könige und Hirten zu kleinen Inkas mutiert, die Fische, Chilischoten, Bananen, Schildkröten und sogar Affen anschleppten. Am schlimmsten aber war, dass der Ochse, dieses vertraute dummtreue Tier aus der oberammergauer Hirtenidylle aus unerfindlichen Gründen zu einem fetten, grimmig dreinblickenden Eber mit riesigen Stoßzähnen mutiert war. Das mag ja in Peru so üblich sein, aber unter dem eigenen Christbaum wollte das ganz offensichtlich kein Bamberger haben…

…und so stand sie nun da, die peruanische Monsterkrippe, und stand, und stand und stand…Nach der Lautstärke ihres Gesprächs war es den Verkäuferinnen im Jahr als ich zu studieren anfing offensichtlich endgültig zu bunt geworden und sie beschlossen, während ich nach biologischdynamischsozialgerechter Schokolade suchte, dass Ding loszuwerden – egal zu welchem Preis!

Als Schwabe mit einem ausgesprochenen Faible für kuriose Krippendarstellungen habe ich mir das natürlich nicht zweimal sagen lassen – und ganz beiläufig gemeint, dass ich sie – aus reiner Herzensgüte – für einen Fünfziger von dem Ding erlösen würde…Das war ungefähr ein fünftel dessen, was die Krippe eigentlich kosten sollte und ehrlichgesagt nicht ganz ernst gemeint.

Und dann geschah das Wunder: Offensichtlich hatten die Verkäuferinnen nicht damit gerechnet die Krippe des Schreckens – wie sie in Bamberger Gutmenschenkreisen inzwischen hieß – jemals wieder loszuwerden, schon garnicht für Geld…und sie fingen an zu jauchzen und zu jubilieren, mich als ihren Retter zu preisen und eine Geschäftigkeit zu entwickeln, wie sie selbst die Himmlischen Heerscharen beim großen Gloria in excelsis nicht entwickelt haben…Da wurde eingepackt und verstaut, nach Bananenkisten gesucht und ganz schnell die Kasse aufgeschlossen und kassiert, bevor der Verrückte der sich ernsthaft eine Peruanische Horrorkrippe unter den Christbaum stellen wollte es sich doch noch im letzten Augenblick anders überlegt hat…Ja ich krigte meine Tafel Schokolade sogar noch umsonst obendrauf und eine Gratisprobe Apfelsinen aus Equador gabs auch noch obendrauf!

Uns so stehen sie nun seit Jahren bei mir, die wackeren kleinen Peruaner mit ihren Affen, Schildkröten, Fischen, Chilischoten, dem Monsterschwein und dem sich vor lauter weihnachtlicher Wonne an die Brüste greifenden Engel.

Ich mag sie – und manche Gäste sind, nachdem sie sich nach dem ersten Schreck wieder eingekriegt haben, sogar ein bisschen neidisch, dass ich eine so ungewöhnliche, große und teure Krippe mein Eigen nenne…

 

*Wir haben aber trotzdem mitgespielt, schließlich machte das unseren Eltern einen Heidenspaß uns angeblich an der Nase herumzuführen – und warum soll man den den Erwachsenen als Kind nicht auch mal gönnen.

In pluribus unum – 25 Jahre Mauerfall

FreudeIn pluribus unum – 25 Jahre Mauerfall

Und irgendwie war sie heute Morgen noch von der WM übriggeblieben, die eingerollte Deutsche Flagge die irgendein Familienmitglied anlässlich der Fussball-WM in diesem Sommer an den Führungsschienen unseres Küchenrollos befestigt hatte. Eigentlich gehöre ich – wie wohl die meisten Deutschen – nicht unbedingt zu den allergrößten Fans nationaler Symbole und Feiern. Als vor einigen Jahren einer meiner griechisch-australischen Interviewpartner beinahe einen Herzanfall bekam, als er sich über Demonstranten die aus Verzweiflung über die ökonomisch-politische Lage Griechenlands die dortige Nationalflagge verbrannten, echauffierte und wutentbrannt die sofortige Erschießung der „Nestbeschmutzer“ forderte , wirkte die Szene auf mich eher befremdlich, ja abstoßend. Wie konnte der – ansonsten übrigens sehr friedfertige, freundliche und gebildete – Mann über ein Stück Stoff nur so die Contenance verlieren? Eine Flagge – na und?

Als er sich wieder beruhigt hatte habe ich ihm – so diplomatisch es die Situation zuließ – mein Befrenden dargelegt, ihm erklärt, dass eine Flagge doch nicht der Staat sei und eine Flagge doch nur ein Stück Stoff mit etwas Symbolwert, aber nichts, wofür es sich zu sterben lohne oder andere umzubringen gilt sei…well, ich muss dabei wohl ziemlich erschrocken ausgesehen haben und er hat mir dann erklärt, dass die griechische Fahne für ihn etwas ganz besonderes sei und er sich persönlich unendlich verletzt fühle, wenn sich jemand daran verginge…Wir haben dann noch lange über Nation, Geschichte, Stolz, Vorurteile, Hass und Krieg gesprochen…er war sich am Ende nicht mehr ganz so sicher, ob die distanzierte Einstellung der Deutschen zu ihren Nationalen Symbolen so falsch sei, ich fühlte mich im Gegenzug seltsam „heimatlos“.

Sicher, es gibt mehr als gute Gründe, weshalb wir Deutschen von allem was mit Nation, Ehre und Stolz die Finger lassen…gebranntes Kind und die Scheu vor dem Feuer…Auf der anderen Seite Frage ich mich aber auch, ob wir bei dieser sehr speziellen Spielart der German Angst „noch so ganz normal“ sind. Auf mich jedenfalls wirkt unser fast panisches „german understatement“ oft genug wie das pathogene Symptom einer immer noch oder schon wieder diffus empfundenen „historischen Schuld“ die eher einer Phobie als echt empfundener Verantwortung gleicht (Ganz abgesehen von der Frage wer im post-kollektivschuldigen Zeitalter da eigentlich welche „Schuld“ tragen kann und darf und wer wann definiert was Verantwortung ist…aber das ist ein anderes Thema und wird vermutlich spätestens dann wieder auf der Tagesordnung dieses Blogs auftauchen, wenn ich mich wieder einmal über die Ungerechtigkeiten dieser Welt oder – spezieller – die Hybris ost-westlicher Ordnungs- und Supermächte aufrege…vielleicht bin ich ja in meinem Herzen doch ein Grieche…)

Zurück zum Tag der Deutschen Einheit.

Es war im Jahr 2011 als ich anlässlich einer Tagung des „International Comitee of Ethnographic Museums“ (ICME) mit einer aus allen Kontinenten bunt zusammengewürfelten Truppe von Ethnologen, Volkskundlern und Folkloristen vor den erhaltenen Sperranlagen des ehemaligen innerdeutschen Grenzstreifens in Mödlareuth stand. Im Gegensatz zu unseren aus der Ferne angereisten Gäste, die wissbegierig den Sperrstreifen in Richtung Grenzzaun und Wachtürme überquerten, zögerte ich gemeinsam mit meinen Deutschen Kollegen kurz. Wir schauten uns an, und wussten, dass jeder von uns ein mulmiges Gefühl im Magen hatte. An diesem Ort war sie plötzlich wieder da, die Erinnerung an Trennung, Diktatur und menschliches Leid. Aber da waren auch noch andere Gefühle:

Zuerst einmal Freude. Freude, dass es das alles außer „im Museum“ nicht mehr gab. Freude, dass es – außer ein paar regionalen Frotzeleien und Eigentümlichkeiten – keinen Unterschied mehr machte ob man aus „Ost-„ oder „West-„ kam. Freude, dass man ohne Angst die ehemalige Grenze überqueren konnte. Freude „frei“ und auch ein bisschen „geeint“ zu sein.

Gleichzeitig war da aber auch etwas Trauer.

Trauer um die DDR? Ostalgie? Ewiggestriges Wehmutsgejammer?

Nein, ich komme aus dem Westen, habe noch seit der Grundschule gelernt, das „der Russe“ , „Der Kommunismus“ und ganz besonders „die DDR“ der Feind und das Böse schlechthin sind und ich war auch niemals Jungpionier…

Und nein, meine Trauer beruhte auf einer ganz anderen, wesentlich weniger ideologisch aufgeladenen Erfahrung.

Damals, in der seltsamen Zeit zwischen Maueröffnung und Wiedervereinigung, genauergesagt im März 1990, hatte mich mein Vater kurzentschlossen in seinen Geschäftswagen gehieft und war mit mir zu einer 14-tägigen Entdeckungstour in die damals noch „real existierende“ DDR gefahren. Ich weiß nicht mehr, ob es kurz vor, oder nach der ersten und letzten freien „Volkskammerwahl“ war, als wir ankamen. Ich weiß auch nicht mehr, ob wir als wir losfuhren überhaupt einen Plan hatten, wo wir am Ende landen würden (ich denke eher nicht, und angesichts der im Zeitalter von Google & Co. kaum mehr vorstellbaren Schwierigkeit  auch nur einigermaßen genaue Straßenkarten der DDR zu bekommen, vermute ich, dass es auch garkeinen geben konnte) . Alles was ich noch weiß ist, dass einige Wochen zuvor in unserem Ort im tiefsten Baden-Württemberg plötzlich seltsame Autos auftauchten (sie waren himmelblau oder cremefarben und hießen Trabbis) aus denen Menschen stiegen (Ost-Erzgebirgler), die man kaum verstand und die auch selbst die allergrößten Probleme hatten uns zu verstehen (erzgebirgisches Sächsisch und Alb-Schwäbisch sind nicht eben optimalkompatibel, wenn es darum geht eine durchgehende Kommunikations sicherzustellen!).

Ach ja, und da war dann noch diese mir mehr oder minder aufgezwungene „Brieffreundschaft“  mit der Enkelin eines ehemaligen „Waffenkammeradens“ meines Großvaters in Zwickau nebst zugehörigem Briefmarkenalbum (auch nicht meine Idee). Briefmarken waren eine der ganz wenigen Sachen aus der DDR die im Westen geschätzt wurden…na ja, damals wussten wir noch nicht, dass ein Gutteil unserer beim Quelle-Versand erworbenen Sachen von Häftlingen in DDR-Gefängnissen produziert worden war…Jedenfalls endete diese sehr spezielle Deutsch-Deutsche Freundschaft pünktlich mit dem Fall der Mauer. Wir Westler waren für unsere Ost-Freunde plötzlich nicht mehr als Lieferanten von Neylonstrümpfen, Jeans, Plattenalben und Bohnenkaffee interessant und mir ging die ganze Sache eh seit langem auf die Nerven. Dass die Sache etwas komplizierter war und meine Großeltern nicht ganz unschuldig an der „Bedienungsmentalität“ ihrer Ost-Bekannten waren, wurde mir erst später klar. Immerhin waren sie seit den späten 1960er Jahren regelmäßig mit einem neuen Auto und einer kompletten Ausstattung aus Ozelot- und Persianermänteln, einem halben Dutzend Abendkleidern und mindestens ebensovielen Anzügen, sowie nahezu dem gesamten Familienschmuck im schönen Zwickau eingefallen und hatten dort ein wahres Schaulaufen veranstaltet. Mir ist es bis heute ein absolutes Rätsel, weshalb sie derartig „kostümiert“ überhaupt in die DDR einreisen durften. Offensichtlich passten die beiden so gut in das propagandistische „Feindschema“ zutiefst dekadenter BRD-Bürger, dass die DDR-Behörden jedes mal beschlossen haben, sie mitsamt ihren drei Schrankkoffern auf ihre Bevölkerung loszulassen.

Kurz, vor der „Entdeckungstour“ mit meinem Vater war die DDR für mich das Land in das man mit schweren Pelzmänteln, die man sonst nur zu Beerdigungen und höchsten kirchlichen Feiertagen trug fuhr und mit dem man der seltsamen Brieffreundschaften mit wildfremden Leuten, denen man jedes Ostern und Weihnachten Fresspakete mit netten Briefen schreiben musste, nur weil der Vater meines Vaters vor undenklich langer Zeit mit dem Großvater meiner verordneten Brieffreundin bei Stalingrad gekämpft und zwei Granatsplitter abbekommen hatte (sein Glück) unterhielt.  Trotzdem war ich ungemein gespannt was sich da jenseits der „Mauer“ befand.

Ja, die Mauer, auch so eine Sache die ich meinen kleinen Cousins und Großcousinen heute nicht mehr erklären kann, weil sie sich einfach nicht vorstellen können, dass Menschen zu etwas derart idiotischem fähig sein könnten (recht haben sie!). Wie ich oben angedeutet habe war das Problem an der Mauer ja nicht nur, dass es sich um ein reales Bauwerk handelte, sondern, dass sie auch in den Köpfen der Menschen existierte (und bei manchen heute noch existiert).

Wenn ich ehrlich bin, waren ich und mein Vater in unserer kleinen Wohlstandswelt der westdeutschen Vorstadtsiedlung 1990 trotz aller Begeisterung darüber was da in der „Ostzone“ passierte, wahrscheinlich die einzigen, die ernsthaft auf die Idee kamen, die (ehemalige) DDR könne ein Ort sein, den es sich anzusehen lohne. Mallorca, Ägypten, Italien…klar, aber Rügen, Dresden und Berlin…für die meisten waren diese Orte damals gleichbedeutend mit einer giftverseuchten Müllkippe und/oder einem stalinistischen Gulag….Und ja, auch auf der anderen Seite der „Mauer“ sah und sieht die Sache bis heute nicht anders aus, auch wenn die Vorurteile etwas anders sind (man denke nur an die ostberliner Bezirksregierungen, für die alles Böse (inklusive der oberbösen Gentrifizierung) immer noch aus dem Westen kommt…).

Ich hingegen freute und freue mich noch immer auf unbekannte Landschaften, neue Menschen, und ein „anderes“ Land das ich noch nicht kannte und bis heute nicht in seiner Gänze kennengelernt habe.

Die damals ja noch real existierende innerdeutsche Grenze nahm ich seltsamerweise garnicht bewusst wahr…vermutlich hatten die Grenzposten auch hier wie überall anders seit dem Mauerfall resigniert. Was ich allerdings sehr wohl wahrnahm waren die anderen Farben, die anderen Materialien, der andere Geruch…ja wirklich, die DDR hatte einen ganz eigenen, heute verschwundenen Geruch. Rauh, etwas verkohlt und ohne künstliche Aromastoffe…irgendwie wie Kernseife und angebrannte Milch. Wirklich gewundert habe ich mich darüber aber nicht, ich kannte das alles aus unserem gerade ein dreiviertel Jahr zurückliegenden Ungarnurlaub, auch wenn dort noch eine Note Gulasch, Fogos und Schweineschmalz dazukam (damals hatte ich nicht so ganz verstanden, warum unsere aus Karl-Marx-Stadt kommenden Nachbarn plötzlich verschwunden waren. Mein Bruder und ich waren vollauf damit beschäftigt hunderte von Forint-Münzen in „Czoklat Palaczintas“ und anderen Süßkram umzusetzen (damals habe ich meine Vorliebe für Mohnnudeln und Gundel-Palaczintas entdeckt!). Laut meinen Eltern konnten wir danach perfekt ungarisch fluchen und bestellen…

Doch zurück zu unserer „Entdeckungstour“ in den Osten! Die bröckelnde aber durchaus noch existente DDR war ein seltsamer Ort, der wirkte, als habe man eine Zeitreise an einen von einem grauen Schleier überzogenes „Nicht-mehr-Ort“ unternommen. Alles schien sich aufzulösen, selbst die Straßenschilder schienen an einigen Orten nicht mehr ganz so fest in ihren Verankerungen zu stehen, wie sie es eigentlich sollten. Auf der anderen Seite gab es hier und da schon ganz reale Versuche in eine „Neue Welt“ aufzubrechen, auch wenn damals noch niemand so genau wusste, was dieses „Neue“ eigentlich sein sollte…die D-Mark? Zwei Staaten in einem? Ein besseres Deutschland, dass das beste aus beiden Systemen in sich vereinte? Oder doch nur eine möglichst getreue und schnelle Kopie der BRD?

Im März 1990 war das alles noch nicht klar, alles schien möglich und nichts war „fertig“. Das alte galt nicht mehr und das Neue war noch nicht zu sehen…Zumindest bildeten wir uns das damals ein. Das dann alles anders kam, dass die DDR einfach stillschweigend abgewickelt und dabei die Leistungen aber auch der Schrecken dieses Staates von heute auf Morgen unter den Teppich gekehrt wurden…Dass es plötzlich „Besserwessis“ und „Jammerossis“ gab…all das war damals nur zu erahnen…

Vielleicht musste ja wirklich alles so kommen, vielleicht war das alles wirklich „alternativlos“…aber ich bin von Natur aus kein Mensch, der an „Alternativlosigkeiten“ glaubt.

Damals haben wir einfach nur gestaunt…Da passierte etwas was wir in unserer kleinen westdeutschen Vorstadtwelt nicht verstanden. Da nahmen Menschen plötzlich ihr Schicksal selber in die Hand und sie taten es durchaus mit Erfolg…wenn auch anders als „wir“. Da waren z.B. die Mitarbeiter des Seerestaurants Perle, die sich plötzlich der Aufgabe gegenübersahen selbstständig und ohne dass sie das jemals gelernt hätten ein Restaurant zu führen…und sie zauberten aus dem wenigen was da war ein Vesper…sicher, das mit der Preisberechnung haben wir ihnen dann erklärt, aber es lief „Auf gleicher Augenhöhe“ und wir haben dabei mindestens genauso viel gelernt, wie sie.

Da waren die Löcher in der Berliner Mauer und die Souvenirhändler die plötzlich an allen Ecken Berlins bunte Brocken dieses einst so gefürchteten Bauwerks feilboten. Da war der noch immer bedrohlich wirkende Todesstreifen (er war damals noch nicht unter schicken Neubauten verschwunden), da war aber vor allem das unglaubliche Gefühl einfach so durch das weit geöffnete Brandenburger Tor oder über die Glienicker Brücke spazieren zu können, als sei dies nie anders gewesen.

Da war auch das alte Ehepaar, das einfach ein Schild mit der Aufschrift „Pension“ in seinen Garten gestellt hatte und uns als ihre ersten Gäste empfing. Sie hatten einfach ihr eigenes Schlafzimmer leergeräumt (dabei aber die Hälfte an Unterwäsche, Briefen und anderem „Privaten“ Krimskrams vergessen). Man war hier kein Gast, sondern hatte eher das Gefühl bei Oma und Opa einquartiert worden zu sein und dieses heute leider verschwundene Gefühl es war einfach herrlich. Nie wieder habe ich in einer Pension, ja selbst in einem fünf Sterne Hotel ein derart oppulentes Frühstück bekommen (es wären locker 20 Personen davon satt geworden). Sie stellten einfach alles auf den Wohnzimmertisch was sie hatten. Als der Alte Herr dann bei unserer Abreise 7 Mark 38 verlangte und mein Vater ihn daraufhin lächelnd fragte, wie viel er denn für unseren Aufenthalt ausgegeben hätte, antwortete er, dass er es nicht so genau wisse, weil ja das meiste selbstgemacht gewesen sei, aber aber so um die 20 Mark werden es schon gewesen sein…

Es ist genau dieses „Nicht in ökonomischen Kategorien“ – Denken, diese bedingungslose Offenheit, diese Herzlichlichkeit und liebenswerte „Naivität“, Freude und Neugier der Menschen aufeinander, die mir heute in den Deutsch-Deutschen Beziehungen fehlt und die in mir in Mödlareuth ein Gefühl der Traurigkeit aufsteigen haben lassen.

Als ich dann 2011 am Grenzzaun in Mödlareuth stand dachte ich auch an diejenigen, die es nicht geschafft haben, die an dieser Grenze zerbrochen sind, oder von ihr gebrochen wurden. Ich dachte aber auch an all diejenigen, deren Welt und deren Sicherheiten auf einmal zusammenbrach (östlich und westlich der Grenze!). Ich dachte an die Eltern die ihre Kinder zurückließen, weil sie glaubten es sei ihre letzte Chance in den Westen zu kommen (ich weiß zumindest von einem Fall aus dem Bekanntenkreis, der sich nicht als DDR-Propaganda abtun lässt). Ich dachte aber auch an die „Einheitsprofiteure“ die nichts eiligeres zu tun hatten als den „Besserwessi“ heraushängen zu lassen und den nichtsahnenden DDR-Bürgern mit buntem Nippes und fragwürdigen Versicherungsvergträgen das Geld aus der Tasche zogen. Ich dachte daran, wie demütigend es gewesen sein muss, festzustellen, dass die Eigenen Erspaarnisse nur bis zu einer gewissen Summe „gleichwertig“ waren, welche Verunsicherung bei den Menschen die lebenslange Arbeitsplatzgarantien gewohnt waren eingesetzt haben muss, als sie plötzlich arbeitslos wurden, und auch daran, wie die anfängliche Begeisterung im Westen bereits nach wenigen Wochen in eiskalte Ablehnung und ein Gefühl der Überlegenheit umschlug. Trotzdem blieben Freude und das Staunen darüber, dass wir Deutschen es irgendwie geschafft haben unsere neue Einheit zu leben, auch und gerade weil alles anders gekommen ist, als wir uns das damals vielleicht erträumt haben. Und es war das Bewusstsein, dass die Einheit ein Geschenk war, dass plötzlich ganz neue Welten öffnete: Die Kreidefelsen auf Rügen, die ruhigen Seen der Müritz, die weiten Felder der Mark Brandenburg auf der im Frühjahr Kraniche tanzen, die Schlösser und Gärten in Potsdam, die quirlige Vielfalt Berlins, die verwunschenen Kanäle des Spreewalds, die Altstädte von Quedlinburg und Erfurt und die wiedererwachende Pracht Dresdens.

Vielleicht sollten wir uns heute alle fragen, ob wirklich alles so „alternativlos“ und „gut“ war, wie es uns die Jubelreden an diesem Tag weißmachen wollen. Und wir sollten uns daran erinnern, dass vieles von dem, was heute ganz selbstverständlich gesamtdeutsche Realität und „Markenzeichen“ ist (z.B. die Ganztagesschulen und Kindergärten, das 12 jährige Gymnasium, die Selbstverständlichkeit der Berufstätigkeit von Frauen, das Sand und die Ampel-Männchen) aus der ehemaligen DDR kommt. Wir sollten diesen Tag nutzen um uns daran zu erinnern, dass eben nicht alles „selbstverständlich ist“. Dass es einmal zwei Deutsche Staaten mit ganz unteschiedlichen „Lebenswelten“ gab und uns darum bemühen diese bis heute fortwirkenden Unterschiede nicht als etwas schlechtes, sondern als Bereicherung zu sehen. Nein, ich mutiere jetzt nicht zum Verfechter des Sozialistischen Arbeiter- und Bauernidylls…dazu weiß ich von meinen vielen, vielen Bekannten aus „dem Osten“ viel zu genau, dass dieser Staat auch seine menschenverachtenden, klaustrophobischen und grauenvollen Seiten hatte…aber es gab eben auch eine andere Seite, die nicht nur verklärte Erinnerung ist…Geld war nicht alles und Leistung gab es zwar, aber sie war kein Abgott…ob das alles ganz freiwillig war, ob die Menschen es einfach nicht besser wussten, ob vieles nicht doch eher Illusion und Wunschtraum als Realität war, das mag jeder für sich selbst entscheiden. Aber man hat zumindest versucht eine Alternative zu leben…das das nicht funktionierte, dass Ideologie wichtiger war als das Wohl des Individuums, dass der Preis dieses Traums die Unfreiheit und Diktatur waren…

Well…auch das ist ein Teil dessen, was ich empfinde, wenn ich heute an die ehemalige DDR zurückdenke und mir das gegenwärtige Deutschland ansehe…es ist ein Lachen mit Tränen, ein Staunen, dem das Grauen innewohnt, eine Freude die nicht vergisst…

Einen schönen Tag der Deutschen Einheit noch!

 

PS: Ich habe die Fahne jetzt mal ausgerollt…immerhin haben wir sie und wann, wenn nicht am Nationalfeiertag sollte man eine Nationalflagge aushängen? Wirklich gut oder gar stolz gefühlt habe ich mich dabei nicht…warum auch? Mal sehen, was unsere Nachbarn morgen dazu meinen…(vermutlich ist die letzte Überlegung das, was Deutschland und die Deutschen wirklich im Innersten zusammenhält, mehr als jede Flagge, mehr als jedes Symbol…zumindest im wohlhabenden Vorstadtidyll ;-))

 

 

 

Das leise Bröckeln des Ebracher Herkulesbrunnens, oder: warum ich manchmal laut fluchend durch Barockgärten marschiere

Herkulesbrunnen Ebrach, Winter

Herkulesbrunnen Ebrach, Winter

Herrgottzackzement, muss man denn hinter allem selber her sein!“

Vermutlich hatte sich meine Begleitung den kleinen Ausflug ins Oberfränkische Kloster Ebrach etwas geruhsamer vorgestellt. Jetzt jedenfalls schaut er mich an, als sei ich wieder einmal ein ganz klein wenig verrückt geworden. Zugegeben, die wenigsten Besucher eines  verwilderten Barockgartens brauchen fünf Minuten, bis sie sich auf der Parkbank exakt so platziert haben, dass sie absolut parallel in der Hauptachse sitzen und dozieren dann auch nicht über falsch gepflanzte Apfelbäume, die ebenjene verstellen. Sie stellen sich auch nicht feuer- und mordio-zeternd vor zutrittsverweigernde Absperrketten, die den baldigen Absturz weiterer Teile der Gartenpavillions verkünden, vor allem aber fangen sie nicht an, mitten in einem weiteren Exkurs über Herkules, Gaia, Anteus und die Jahreszeitensymbolik von Kohl- und Lattichblättern an Flussgötterstatuen lauthals fluchend den sofortigen Ersatz der wind- und wetterumtosten Orginalstatuen durch Kopien zu fordern…

Leider! Denn würden ein paar weniger Besucher ihr Riesenschnitzel, die ach so hübschen Unkräuter oder die sich paarenden Feuerwanzen filmen und sich stattdessen über den gottserbärmlich-ruinösen Zustand großer Teile ihres Kulturerbes aufregen, würden vielleicht ein paar mehr Verantwortliche auf die Idee kommen, dass Wasser und Salpeter kein wirklich guter Haftgrund für barocke Fresken sind…Well, vermutlich verhält es sich damit genau so wie mit dem Mann, der sich inmitten des perfekt achsialsymetrischen Wandaufbaus des Ebracher Fast-Kaisersaals über die angebliche Assymetrie der Säulenbasen aufregt!

Immerhin, es grasen keine vandalischen Pferde der Forstverwaltung mehr im Barockgarten, und auch die ersten Mini-Restaurierungen einiger Zwergfresken im Hausgang ist angedacht (…eigentlich schon dieses Jahr, aber jetzt kommts doch erst im nächsten. (oder im übernächsten, oder im überübernächsten, grrrr…) Ansonsten werden wir uns wohl weiter an pitturesk zerbröselnde Grottenarchitekturen, frostgesprengte Figurengruppen und Netze, die uns vor herabfallenden Stuckteilen bewahren gewöhnen müssen. „Des hom mir scho immer so g’mocht, und do möchdn mir a nix vo Fremdn dron gännert hom!“. Vermutlich ist diese aecht urfränkische Verweigerungshaltung auch die Erklärung für den hartnäckigen Wiederstand der Steigerwäldler gegen einen Nationalpark…es könnten ja wirklich Menschen aus der Stadt oder gar Ausländer auf die Idee kommen hier Urlaub zu machen und Geld auszugeben, Gott bewahre!

Lassen wir das lieber, sonst könnt’s am End sein, dass ich mich länger in Ebrach aufhalten darf, als mir lieb ist…obwohl…dafür bin ich gottlob schon zu alt, die JVA nimmt nur hochbestrafte Täter bis 24.

Neulich im Weltkulturerbe

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Es ist Anfang Februar. Über meinem Kopf gleitet ein Motorsegler im Tieflug. Aus einem Fenster dröhnt lautstark fränkische Folklore. Die Tische der Straßencaffees sind überfüllt mit Sonnenbrillenträgern. Auf dem Weg zur Eisdiele stolpere ich durch eine Touristengruppe – Russen, Japaner, Chinesen?

Zum Mittagsläuten vor dem Traditionslokal die Versammlung der üblichen Säufer: Mitte Fünfzig, zwei einträglich an Studenten vermietete Mietshäuser in Innenstadtlage, Leberzirrhose im Endstadium, zwei Herzinfarkte und Rosenakne. Ich lächle, sie winken freundlich benebelt zurück.

Ich wandere weiter, und endtecke zwischen aecht fränkischer Kleingartenidylle und Bio-Gemüseständen frischgebackene Muttis an Designerbuggys mit Kind. Das zugehörige Vater-Accesoire trägt in dieser Saison neongrüne Daunensteppweste nebst farblich abgestimmtem Wildlederschuh in Himmelblau.

Zwei Straßen weiter geraten gerade Gästeführer und zugezogene (!) Philosophiestutentin aneinander: Es sei zu laut, die Touris eine Plage, und überhaupt drohe der Welt Komplettgentrifizierung. Der Gästeführer bleibt sehr ruhig, zupft Brille udn Barett zuerecht, nickt Halali und erklärt dann in flüssigem Französisch, wie begeistert doch die Einheimischen über all die vielen Besucher aus aller Welt seien. C’est la vie!

Im Stadtpark stehen Verbotsschilder in vier Sprachen. Ein verspäteter Paketlaster blockiert die Fußgängerzone – Aufenthalt nur auf Markierten Wegen: Geschützer Landschaftsbestandteil! Ich kehre Heim und starte auf der Suche nach Wetter den Computer. Die Ferienwohnungsdachwebcam liefert in Echtzeit Bilder vom Regnitzstrand mit Gefängniß, noch fünf Minuten und mein Besuch kommt. Private Vollüberwachung des öffentlichen Raums kann sehr praktisch sein!

Mein Nachbarskater blickt indigniert auf sich paarende Stechmücken und fordert dann lautstark und grummelmiauend von mir Milleuschutz wie am Prenzelberg. Ich lächle ihn an und verscheuche ihn aus meinem Blumenkasten. Schnittlauch und Blattläuse brauchen ihre Ruhe!

Es ist Frühling im Weltkulturerbe.

Reise nach Kythera 11 – Von Zeus und El Greco

Zeus

Zeus

Schwefelgelber Himmel, Sturmböen und aufgewühlte See.

Auf Kythera, wie auf jeder Insel inmitten des Meeres, hat Wetter auch hier etwas archaisches, ungeordnetes, unberechenbares. Sicherlich und nicht zuletzt auch deshalb, weil hier die kalten – im Sommer auch heißen – Winde Arkadiens auf gleich drei Meere mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften treffen: Die Aegais im Nordosten, die Adria im Nordwesten und im Süden das offene Mittelmeer. Kythera ist – sieht man von dem Südwestlich gelegenen Kreta einmal ab –  das letzte bisschen Land vor Afrika.

Und wie immer, wenn ein kleines bisschen Land und die unendliche See aufeinanderprallen ist Wetter hier keine vorhersagbare Sache – eher eine Art Variable mit zu vielen Unbekannten. Der Alptraum jedes Metorologen!

Vor allem im Herbst und im Frühling, jener Zeit wenn in Griechenland die „Winde ihre Richtung wechseln“ wagt kaum jemand auf mehr als 24 Stunden vorraus zu sagen ob es sonnig, stürmisch, gewittrig, windstill, neblig, regnerisch oder gar alles zusammen werden wird.

Sicher, der Wetterbericht gibt eine Art „Tendenz“ an…aber ob es deshalb auch so sein muss, und ob es nicht doch ganz anders wird ist nicht wirklich berechenbar. Außerdem kann es – obwohl die Insel nicht einmal 300 km² – hat, durchaus sein, dass es im Norden regnet, auf der West-Seite dichtester Nebel herrscht und im Südosten, also nur ein paar Hügel und keine 200 Kurven entfernt strahlender Sonnenschein und Windstille herrscht. Kein Wunder also, dass Kythera von Biologen, Künstlern und Wanderern als „Griechenland im Kleinen“ bezeichnet wird. Und fährt man von den verkarsteten, mit Heide und duftenden Kräutern bewachsenen, windumtosten Hügeln des Südens, durch die fast tropischen Schluchten der Inselmitte in die grünen Kiefern- und Eukalyptuswälder des Nordens hat man wirklich das Gefühl man habe nicht nur wenige Kilometer, sondern eine ganz andere Welt hinter sich gelassen.

Doch eines ist bereits auf den ersten Blick klar: Ohne Wasser geht hier garnichts! Wo es fehlt wächst allenfalls ein wenig dürres Gras, wo es aus den Quellen stömt wachsen riesige Platanen, Weiden, Eichen und Buchen, dazwischen paradiesische Gärten mit allem was das Herz begehrt – von Wein, über Feigen und alle Arten von Gemüse und Obst bis hin zu exotischen Bananenstauden und Kakibäumen. Während wir in Deutschland nicht selten über das nasse Grau des Herbstes (und Sommers!) fluchen, ist man hier – von ganz wenigen Schneetagen im Januar und einigen kurzen Momenten im Frühjahr wenn durch die Schluchten nach heftigen Regenschauern wahre Sturzbäche tosen und manche Teile der Insel wegen Überflutung für Stunden oder Tage nicht oder nur über Umwege zu erreichen sind abgesehen – über jeden einzigen Tropfen Regen, der die Quellen und spärlichen Wasserreservoirs wieder auffüllt heilfroh. Dies nicht nur, weil jeder Tropfen für die spärliche Weide- und Landwirtschaft ein wahres Lebenselexier darstellt, nein, ausgiebige Regenfälle im Frühjahr und Herbst bannen auch ein anderes, sehr reales Risiko: Buschbrände!

Und dann ist da noch eine Sache, die es so an kaum einem anderen Ort Europas gibt:

Das grelle, fast unwirkliche Licht, dass eher an Nordafrika, als an Europa erinnert. Das alles ist aber kein Zufall, sondern Geographie: Kythera liegt weitestgehend südlicher als Sizilien. Dadurch fällt das Licht in einem sehr viel steileren Winkel als weiter nördlich auf die Insel. Folge sind harte und scharfe Schatten, und extrem klare Farbkontraste, die wirken als hätte jemand aus Versehen eine Tonerkasette zu viel eingelegt…Fast, als wäre ein kleines Stückchen Afrika nach Europa verlegt worden…

Fast, denn die Insel hat die eigentümliche Angewohnheit sich während Schönwetterperioden einen Schleier aus tiefliegenden nicht besonders massiven und ebensoschnell erscheinenden wie verschwindenden Wolken zuzulegen. Die Bezeichnung „Schleier der Aphrodite“  die die Einheimischen für dieses Wetterphänomen erfunden haben, lässt mich jedes mal an den bambergischen Schleier der Kunigunde, eine Art sagenumwobener Nebel, der die Weltkulturerbestadt angeblich vor Aliierten Bombardierungen geerettet hat, denken. Und tatsächlihc, es ist als würde jemand binnen Sekunden ein riesiges Leintuch über die Insel spannen und sie in ein diffuses und trotzdem scharfes, grau-weißes Lichts, dass alles zugleich verhüllt und in einer seltsamen Fehlfarbigkeit erscheinen lässt hüllen.

Bereits als ich dieses Phänomen das erste mal vor ein paar Jahren gesehen habe, habe ich mich gefragt, ob es dieses Licht war, dass El Grecco zu seinen seltsam „negativfarbenen“ Heiligengemälden inspiriert hat. Verwunderlich wäre das nicht, seine Familie stammte aus Chania, hier gleich um die Ecke auf Kreta, wo’s gelegentlich, aber nicht so häufig wie auf Kythera ein ähnliches Wetterphänomen zu bestaunen gibt.

El Grecco, der später vor allem in Spanien tätig war, muss dieses eindrucksvolle Spiel aus Licht und Nebel aus seiner Kindheit und Jugend sehr gut gekannt haben.

Mir erscheint daher die Hypothese, der „Schleier der Aphrodite“ habe El Greccos eigentümliche Malweise beeinflusst, eine bessere Erklärung für die seltsame, weiter nördlich unbekannte Farbgebung in El Greccos Bildern als die in der kunsthistorischen Literatur häufig diskutierte Augenkrankheit oder eine besonders innige Frömmigkeit die sich in einer bewussten „Überhöhung“ durch Fehlfarbigkeit ausdrückt. Nein, wer dieses Phänomen kennt, wird feststellen, dass in El Greccos Bildern ist nichts fehlfarben oder übertrieben ist. Der große Künstler hat die Dinge ganz einfach so gemalt, was er aus seiner Kindheit kannte, nicht mehr, und nicht weniger.

Vermutlich war es deshalb auch eher die Erinnerung an eines jener garnicht so seltenen kretischen oder kyhteranischen Herbst- oder Wintergewitter bei dem jähe magnesiumweiße Blitze durch vom Meer her aufsteigende, tiefhängenden Wolkenfetzen schießen und dabei die Nacht in magnesiumweißes Licht hüllen, das „Den Griechen“ zu seinen schreckenserregenden Heiligenvisionen ermunterte,  und nicht irgendwelche „göttlichen“ Visionen (die aber – dies sei den „Visionären“ der Kunstgeschichte zugestanden – , wenn man sie sich ausdenken müsste, nicht sehr anders aussehen würden. Nur musste sich El Grecco eben nichts ausdenken, er kannte das Ganze als „real version“). Vielleicht ist dieses seltsame Wetterphänomen ja auch die Erklärung für andere „Visionen“. Jene des Evangelisten Johannes. Der saß nur knappe 70 Kilometer nördlich am anderen Ende der Ägais auf einer anderen aus dem Meer aufsteigenden Insel: Patmos. Nach allem was ich weiß soll es dort mitunter, wenn auch seltener sehr ähnliche Wetter- und Lichtphänomene geben… und wer weiß, vielleicht war das „Himmlische Weib“ im Johannesevangelium ja garnicht so himmlisch, sondern nur eine Bäuerin, die nach Einbruch der Dunkelheit noch rasch die Ziegen in den Stall zurücktrieb und dann vom ersten Blitzstrahl eines in der Dunkelheit unbemerkt heranziehenden Gewitters in goldenes Licht gehüllt wurde…

Tatsächlich hat auch für mich Göttervater Zeus persönlich in seiner Mottenkiste gekramt und noch rasch bevor mein Flieger zurück ins kalte Deutschland geht Blitz, Donner und Sturm hervorgekramt. Gemeinsam mit seinem nicht weniger göttlichen Bruder Poseidon zaubert und allen Tritonen, Amphytriten und Winden werkelt er gerade am ersten ordentlichen Herbststurm des Jahres. Vermutlich ist das die Strafe für meine unselige Hybris, mit der ich als Sterblicher gestern und unziemlichster Anmaßung den Blickwinkel eines Gottes genießen ließ – Beim Anblick des „Schleiers der Aphrodite“ hat’s mich einfach gerissen und ich bin durch jähe Steilwände und noch jähere Schlaglöcher hinauf zu den Nato-Abhörantennen nach Agia Elessa gefahren.

Wortwörtlich „in den Wolken sitzend“ sah ich mir von dort dann „mein“ Kythera an und fühlte mich inmitten von Sturmgeheul und vom weiten Südmeer an die Felswände getriebenen Nebeln, beinahe selbst wie ein kleiner Gott…Die Rechnung kam heute postwendend in Form einer schlaflosen Nacht und einer wiederaufflammenden Erkältung…

Zeus ist sauer und grollt seit Mitternacht vom Gipfel des nahegelegenen Faskomiles. Vielleicht hätte ich aber auch gut daran getan mich auf die kleine vorgelagerte Insel Makrodragonara fahren zu lassen. Dort warfen Schiffsleute und Reisende über Jahrhunderte immer wieder Münzen in die kleinen Schluchten und schufen so mit der  Zeit einer der größten und vielfältigsten antiken Münzschätze, dessen Prägungen vom Schwarzen Meer bis nach Karthago und Spanien reichen. Leider ist auch dieser vor wenigen Jahren von Archäologen entdeckte Schatz heute genau wie  der Schatz von Antikythera mit dem „Antikytheraapparat“ nicht mehr auf der Insel, sondern in Athen…Irgendwann braucht man hier wirklich mal ein ordentliches Museum – und wer weiß, vielleicht gibt es dann auch mehr zu sehen, als „nur“ den berühmten „Kytheranischen Löwen“ eine vollendete Marmorstatue, die einst vermutlich den Burgberg von Paleokastro schmückte, später von den Venezianern über der Rampe des Forts in Chrora als Türwache aufgestellt wurde, dann ins Museum gebracht, von den Deutschen Besatzern als „Souvenir“ entführt, von einem kyhteranischstämmigen Professor in Deutschland wiederentdeckt und in den 1980er Jahren wieder auf die Insel zurückgebracht wurde…

Genug Archäologie und Kunstgeschichte für heute. Ich frage mich ohnehin schon die ganze Zeit, warum ich jedes Mal wenn ich etwas über diese Insel schreibe in griechische Mythologie und Archäologie abschweife und so wenig über die Gegenwart und den Alltag (na ja, so wenig war’s auch nicht) zu Papier bringe…vermutlich hat mich da auch der „Schliemann-Virus“ getroffen, so wie er jeden trifft, der sich auch nur ein wenig mit der Geschichte und Vergangenheit dieses Teils der Welt beschäftigt.

Ich muss weiter – Draußen verkünden Schreie und Motorsägen der Bauarbeiter und nicht Kirchenglocken den Neuen Tag – Sicher, es gibt hier – anders als in manchen ganz strengen Athoseinsiedeleien – auch Kirchenglocken, aber sie fühlen sich für so profanen Dinge wie Stunden und Tage anscheinend nicht zuständig…Entweder man macht das hier nicht so (was ich mir bei den doch recht zahlreichen Zifferblättern an den Kirchen nicht recht vorstellen kann), oder aber, die Uhrwerke sind irgendwann einmal kaputtgegangen und harren noch ihrer Wiederauferstehung…Jendefalls ist die Sache auch nach zweieinhalb Wochen auf der Insel noch immer sehr gewöhnunsgbedürftig für einen Wahl-Bamberger wie mich, der es gewöhnt ist, dass eigentlich immer und überall mindestens eine Glocke ihren Dienst verrichtet und ganz fürchterlich erschrickt, wenn wirklich einmal absolute (und nach bambergischem Verständnis auch absolut unchristliches) Schweigen herrscht… Nun…es geht auch so…

Und da sich auch Zeus inzwischen wieder beruhigt zu haben scheint, werde ich heute vermutlich auch zurückfliegen können. Mal sehen ob der große und kleine Jannis auch bei diesem Wetter am Strand sind. Danke an alle, die geholfen haben, dass auch dieser Forschungsaufenthalt wieder ein Augenöffner und Erfolg war…Ich werde mich jetzt gleich nochmal ins Auto setzen und mich zu einer ausgiebigen Abschiedsfahrt über die Insel aufmachen…

Giassas!