Chablis zu Hanami

spring in Burgundy

Auf der Suche nach einem passenden Kirschblütenphoto für einen e-mail-Anhang zum Hanami-Fest (jap. Blütenbetrachten) an einen japanischen Freund stöberte ich vor einigen Tagen in den alten Photodateien meines kleinen, roten „Reisecomputers“ und entdeckte dabei lächelnd einige längst vergessene Bilder eines Frühlingsausflugs in ein kleines burgundischen Dorf.

Eigentlich hatten wir uns – wieder einmal – gründlich verfahren, weil sich unser Navi strikt weigerte zu den vielen gleichlautenden Ortsnamen auf St. Irgendwas die entsprechenden genaueren Ortsangaben (sur, les oder du irgendwas…) anzugeben. Vielleicht war’s uns aber   auch nur zu blöd geworden, uns ständig in typisch deutscher Baedecker-Manier „nach Reiseführer“ rastlos von a) nach b) zu begeben. Sewi’s wie es mag, als angehende Kunstgeschichtler nahmen ich’s sportlich und tat, was man im Burgund nunmal tut, wenn man sich gründlich verfranst hat: Man schaut zu, dass man jemand findet, der einen Schlüssel zum herrlich versteckten Chateau, dem örtlichen Weingut oder – wie in diesem Fall – der halb verfallenen Dorfkirche hat.

Garnicht so einfach in einem Dorf mit vielleicht 10 ständigen Einwohnern, die sofern sie tagsüber nicht in der nächsten Stadt arbeiten, im Frühjahr reichlich anderes zu tun haben, als zwei neugierigen Deutschen das „hübsche Örtchen“ vorzuführen. Der Weinberg will hergerichtet, das Ausschlagen der Reben beobachtet, die Cuvée ein letztes Mal auf ihre korrekte Zusammensetzung geprüft und der Weidezaun geflickt sein.

Schließlich fanden wir doch noch eine Alte Dame, welche uns zunächst kritisch durch ihre dicken Brillengläser musterte und uns aber nach bestandener Überprüfung mit einem riesigen, halb angerosteten Schlüssel umständlich das Kircheninnere öffnete.

Wie so oft erwartete uns auch hier eine Überraschung:  Im hellen Frühlingslicht das  mit uns durch die geöffnete Tür in die Kirche strömte erschienen die leuchtend-lustvollen Abbildungen eines Totentanzes des frühen 16. Jahrhundert. Es dauerte, bis wir zwischen stolzen Damen, Landsknechten und Kaisern den Bischoff und seinen blondgelockten Geliebten (sic!) auf ihrem Weg in den am Langhausende lauernden Höllenrachen entdeckten.  Zuerst verstanden wir nicht. Etwas auch nur annähernd Ähliches hatten wir nie gesehen.

Die Alte Dame amüsierte sich köstlich als sie uns begriffsstutzigen Kerlen in ihrem altertümlichen Charrolais-Dialekt und mit herrlich rollendem „r“ die Szene genüsslich zum dritten Mal erklärte. Auch wir hatten unser Vergnügen, denn jedes mal kam ein neues schlüpfiges Detail aus der Lebensgeschichte der Beiden hinzu. Irgendwann machte es klick. Ich habe selten so laut in einer Kirche gelacht. Auch der Tod schien uns aus seinem zahnlosen Mund mit einem lustvollen „Genießt…ich komme früh genug!“ zuzulächeln.

Die von Engeln geleiteten Frömmler der Gegenseite erschienen dagegen geradezu langweilg. Auch Madame du Brais hatte für sie kaum mehr als ein indigniertes  „les autres“ übrig.

Hinter dem Kirchhof lag ein Friedhof, und dahinter, am Ende einer langen Kastanienalee ein halb verfallenes Schloss (Nein, nicht verfallen. burgundische Schlösser MÜSSEN genau so aussehen. Was wäre das auch für ein Schloss, in dem es nicht irgendwo zumindest ein wenig zum Dach hereinregnen würde?…).

Längst hatte Madame du Brais, welche sich zwischenzeitlich als leibhaftige Comtesse entpuppt hatte, aber nichts darauf gab, mich am Sakkozipfel gepackt und mich in Richtung einer kleinen Tür in der Parkmauer gezogen.

Venez, venez,  j’ai une autre gâterie!“

Ich wurde ich den Gedanken an die Hexe aus Hänsel und Gretel, samt dem zugehörigen Lebkuchenhaus nicht los.

Als hätte man uns erwartet stand mitten auf einer von Schlüsselblumen bedeckten saftiggrünen Wiese ein mit einem weißen Leintuch gedeckter Tisch, dazu vier Stühle aus Schmiedeeisen und eine Schüssel mit frischem Kohlsalat mit kleinen, gebackenen Speckstückchen.

Bon appétit“

Statt mit zuckersüßen Zelten wurden wir mit selbst gebackener quiche und reichlich Chablis gefüttert.

Madame la Comtesse waren selig, wir auch!

Auf dem Weg zurück überquerten wir einen kleinen Bach. Die drei weit ausladenden  Bögen der alten Brücke wirkten ziemlich ambitioniert für das schmale Rinnsal. Aus seinem Wasser ragten einige Schwertlilienblätter, darüber ein kleiner, weiß blühender Kirschbaum, dessen Blütenblätter langsam ins Wasser vielen…

Madame du Brais verabschiedete sich, dankte für den amüsanten Nachmittag und gab uns noch eine Flasche von „ihrem Besten“ mit. Ein herrlicher, goldgelber „grand cru“ mit smaragdgrünen Reflexen und himmlischem Geschmack.

Schöner lässt sich selbst in Japan kein Hanami-Fest verbringen…

Winternacht

Winternacht

Konsumterrorgeschädigt durch Nacht,

an Füßen zieht überfrierender Glühwein ,

schmelzende Schneekristalle auf meinem Fuchspelzkragen.

Ich träume von Armut gelangweilt und lächle Pfandflaschen in Designertaschen!

– übel wird schief mir –

ich fürchte die Welt läuft Reserve.

Vor dem Fenster ein hungriger Vogel,

Tzatzikiprofiterol und Kerzenscheinlebkuchen an süßem Senf,

die Nachbarskatze grinst hinter ihm.

10. Türchen: …Weihnachts-pastete im Blätterteig-mantel oder wie werde ich all die seltsamen Weihnachts-zutaten los!

paté du noel

Böse Zungen nennen dieses Gericht auch „falsches Beuf Wellington“ oder „mit Zitronat gestreckter Hackbraten“. Meiner Ansicht nach hat das Gericht, dass ich erstmals am Dreikönigstag in in einer kleinen Gastwirtschaft in Straßburg gegessen habe aber besseres verdient. Es ist das perfekte „Weihnachts-Resteessen“ mit dem man die ganzen seltsamen Weihnachtszutaten, die man als halboffene Packungen oder Essensreste (z.B. das Blaukraut von der Gans, die übriggebliebenen Semmelknödel, die Kapern von den Königsberger Klopsen oder die Unmengen von Orangeat, Zitronat, Zimt und Nelkenpulver, von denen man natürlich wieder viel zu viel eingekauft hat) eh irgendwo rumstehen hat einer sinnvollen Verwertung zukommen lassen kann…außerdem lässt sich sowohl in die Sauce als auch in die Pastete der eine oder andere übriggebliebene Lebkuchen reinschmuggeln (schmeckt wunderbar!). Nimmt man fertigen Blätterteig aus dem Supermarkt (ich bin bei so Dingen immer für die einfachsten Lösungen, schließlich hat man an den Weihnachtstagen anderes zu tun, als stundenlang in der Küche zu stehen!) ist es außerdem sehr leicht zu machen (niemand zwingt einen, sich bei der Verzierung derart zu „verkünsteln“ wie ich!). Außerdem schmeckt’s einfach ganz wunderbar!

Viel Spaß beim nachkochen!

Weihnachtspastete im Blätterteigmantel:

500 gr. Blätterteig länglich ausgerollt. Ein kleines Stück (ca. 10×10 cm für Verzierungen aufsparen)

250 gr. Geräucherter Schinken, in kleinen Würfeln (wer will kann auch kurz angebratenen geräucherten Schinken nehmen, dadurch wird das Gericht würziger)

200 gr. Getrocknete Pilze, eingeweicht und kleingeschnitten

100 gr. Leberpastete

250 gr. Hackfleisch vom Wildschwein oder Hirsch (ausnahmsweise tut’s bei diesem Gericht aber auch ganz ordinäres gemischtes Hack aus dem Supermarkt, da der Wildgeschmack relativ stark von den Gewürzen überdeckt wird)

6 Eßl. Preiselbeergelee

½ Becher (125 gr.) Sahne, flüssig

3-4 Scheiben Toastbroat, in kleine Stücke zerpflückt

2-3 Eier

1 Bund frischer Petersil, feingehackt

1 Eßl. Kapern, fein geschnitten

1 Teel. Zimt, gemahlen

1 Messerspitze Nelkenpulver

1 Prise Safran

1 Eßl. Curry

1 Eßl. Asiatisches 5-Gewürz

Pfeffer

Salz

Je 1 gehäufter Eßl. Orangeat und Zitronat, fein gewiegt

Je nach Geschmack der eine oder andere übriggebliebene Lebkuchen

1 mit etw. Wasser verquirltes Ei

Zubereitung:

Alle Zutaten bis auf den Blätterteig zu einer Füllung verrühren (Wer möchte kann gerne mehr Gewürze hinzugeben, die Originalmengen aus dem frühen 19. Jhdt. liegen bei etwa dem dreifachen, dafür fehlt der Petersil). Füllung vorsichtig in den ausgerollten Blätterteig füllen, gut verschließen, mit der Nahtseite nach Unten auf’s Backpapier legen.  Je nach Geschmack verzieren (die Verzierteile mit verquirltem Ei ankleben). Die fertige Pastete mit Eigelb bestreichen und bei ca. 170°C 20-25 Minuten goldgelb Backen lassen (wenn der Teig zu dunkel wird mit Alufolie abdecken). Noch warm aufschneiden (ein wirklich scharfes Messer hilft dabei erheblich!) und mit einer Sauce aus Preiselbeermarmelade und Rotwein/Rahmsauce/Sauerbratensauce servieren.

Beilagen:

Alles was auch sonst zu Wild passt. Z.B. Sahne-Mandel-Rosenkohl, Blaukraut, Semmelknödel, Serviettenknödel, Spätzle, Kroketten, Noisettekartoffeln, Bandnudeln, Sahnewirsing, caramelisierte Möhren mit Zitronensaft und Safran, Muskat-Sahne-Lauchstreifen etc..

9. Türchen: Kleine Anregung für’s adventliche Glücklichsein!

Perfektion!

Kleine Anregung für’s adventliche Glücklichsein:

Die Einkaufstüten zur Seite legen, Bücher weg, Telefon & Handy aus, selbstgemachten Glühwein aufwärmen, ein paar Lebkuchen mit Pistazien, kandierten Sauerkirschen und Bergamottenglassur bereitlegen, in die Fuchspelzdecke kuscheln (für die Tierbewegten unter Euch tun’s natürlich auch ein paar Kissen aus chinesischem Seidenbrokat, aber das ist nicht dasselbe!), sich die Arie „Sibillar gli angui d’Aletto“ des Argante aus Händels Oper Rinaldo in einer seeehr guten Fassung anhören, zurücklehnen und genießen!

Perfekt!